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Wenn ein Istversteuerer Leistungen an einen anderen Istversteuerer erbringt

Der jahrelangen deutschen Praxis, dass der Vorsteuerabzug auch dann bereits im Zeitpunkt des Bezugs der Leistung möglich ist, auch wenn der Leistende als Istversteuerer sein Entgelt noch nicht erhalten hat und damit seine Ausgangssteuer noch nicht entstanden ist, hat der Europäische Gerichtshof verworfen.

Hintergrund

Die Beteiligten streiten darum, ob der Vorsteuerabzugsanspruch des Leistungsempfängers nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG bereits mit der Ausführung der Leistung oder erst mit der Entrichtung des Entgelts entsteht, wenn der Leistungserbringer die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet (sog. Istversteuerer).

Die Klägerin erzielte in den Streitjahren Umsätze mit der Vermietung eines Gewerbegrundstücks, das sie ihrerseits gemietet hatte. Sowohl die Klägerin als auch ihre Vermieterin hatten wirksam auf die Steuerbefreiung für derartige Vermietungsumsätze verzichtet und somit zur Umsatzsteuer optiert. Beiden war von der Finanzverwaltung gestattet worden, die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten, sondern nach den vereinnahmten Entgelten zu berechnen.

Ab dem Jahr 2004 wurden die Mietzahlungen der Klägerin teilweise gestundet. Dies hatte zur Folge, dass die Klägerin in den Streitjahren 2013 – 2016 Zahlungen für die Grundstücksüberlassung in den Jahren 2009 – 2012 leistete. In den Zahlungen waren jeweils 19 % Umsatzsteuer enthalten. Die Klägerin machte ihren Vorsteuerabzugsanspruch – unabhängig von dem Mietzeitraum, für den die Zahlungen bestimmt waren – immer in dem Voranmeldezeitraum bzw. Kalenderjahr geltend, in dem die Zahlung erfolgte.

Das beklagte Finanzamt beanstandete dieses Vorgehen und erließ geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2013 – 2016. Nach Auffassung des Finanzamts war der Vorsteuerabzug bereits mit der Ausführung des Umsatzes – hier der monatsweisen Überlassung des Grundstücks – entstanden und hätte daher jeweils für den entsprechenden Zeitraum geltend gemacht werden müssen.

Die Klägerin machte geltend, dass die angegriffenen Bescheide gegen die MwStSystRL verstießen und die Auffassung des Finanzamts, wonach das Vorsteuerabzugsrecht immer schon mit der Ausführung des Umsatzes entstehe, nicht zutreffend ist. Wenn der Leistende seine Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet, entsteht der Vorsteueranspruch des Leistungsempfängers vielmehr erst dann, wenn der Leistungsempfänger das Entgelt entrichtet hat.

Im Hinblick auf das nationale Recht folgte das Finanzgericht Hamburg der Rechtsauffassung des Finanzamts. Das Finanzgericht hatte jedoch Zweifel, ob die nationale Rechtslage vereinbar mit Art. 167 der MwStSystRL ist. Nach dem Wortlaut dieser Norm entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, „wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht“.

Entscheidung

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, Art. 167 MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der das Recht auf Vorsteuerabzug bereits im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes entsteht, wenn der Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer nach einer nationalen Abweichung gem. Art. 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL erst bei Vereinnahmung des Entgelts entsteht und dieses noch nicht gezahlt worden ist.

Zunächst stellt der Europäische Gerichtshof fest, dass der Wortlaut von Art. 167 MwStSystRL klar und unzweideutig ist. Die Vorschrift stellt die allgemeine Regel auf, dass das Recht des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer auf die entsprechende abziehbare Steuer entsteht.

Weiter stellt der Europäische Gerichtshof fest, dass nach Art. 63 MwStSystRL Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt eintreten, zu dem die Leistung erbracht wird. Nach Art. 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL können die Mitgliedstaaten jedoch abweichend u. a. von Art. 63 MwStSystRL vorsehen, dass der Steueranspruch für bestimmte Umsätze oder Gruppen von Steuerpflichtigen spätestens bei der Vereinnahmung des Preises entsteht. Da Art. 66 MwStSystRL eine Abweichung von Art. 63 MwStSystRL darstellt, ist Art 66 eng auszulegen. Um zu einer Auslegung zu gelangen, bei der Art. 66 Abs. 1 Buchst. b und Art. 167 MwStSystRL, nach dem das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht, miteinander in Einklang stehen, muss somit in Fällen, in denen der Steueranspruch gem. Art. 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL spätestens bei der Vereinnahmung des Preises entsteht, auch das Recht auf Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt der Vereinnahmung des Preises entstehen.

Schließlich führt der Europäische Gerichtshof aus, Art. 167a MwStSystRL ist eine fakultative Regelung, die die Mitgliedstaaten vorsehen können und deren Anwendung wiederum zu der Abweichung gehört, die bereits durch Art. 66 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL vorgesehen ist. Der Zusammenhang zwischen dem Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer und dem Recht des Steuerpflichtigen auf sofortigen Vorsteuerabzug kann daher nur in Fällen des Art. 167a MwStSystRL aufgehoben werden.