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Vor- und Nachvermächtnis: Wer erwirbt von wem?

Bei einem Vermächtnis, das beim Tod des Beschwerten fällig wird, erwirbt der Vermächtnisnehmer erbschaftsteuerrechtlich vom Beschwerten. Gibt es ein Vor- und Nachvermächtnis und fällt der Vorvermächtnisnehmer vor Fälligkeit des Vermächtnisses weg, erwirbt der Nachvermächtnisnehmer ebenfalls vom Beschwerten.

Hintergrund

Der Erblasser E war Eigentümer eines Hausgrundstücks. Im Testament hatte er seine Ehefrau F zur Alleinerbin bestimmt und das Grundstück seinem Neffen N vermacht. Das Vermächtnis sollte zwar mit dem Tod des E anfallen. Die Übereignung des Grundstücks konnte der N jedoch erst nach dem Tod der F verlangen. Sollte N nach Anfall, aber vor Fälligkeit des Vermächtnisses sterben, waren dessen Abkömmlinge als Nachvermächtnisnehmer bestimmt.

N verstarb 2011 und wurde durch X und dessen Bruder beerbt. 2012 verstarb F. Danach wurde das Grundstück in Erfüllung des Nachvermächtnisses zu je ½ auf X und dessen Bruder übertragen.

Das Finanzamt setzte gegenüber X Erbschaftsteuer für einen vermächtnisweisen Erwerb von Todes wegen von F fest. X beantragte die Anwendung der Steuerklasse I für einen Erwerb von seinem Vater N. Das Finanzamt wandte dagegen die Steuerklasse III an, ausgehend von dem Verwandtschaftsverhältnis des X zu F bzw. zu E als Großneffe.

Das Finanzgericht wies die Klage ab.

Entscheidung

Die Revision hatte ebenfalls keinen Erfolg. Der Bundesfinanzhof entschied: Das Vermächtnis stellt erbschaftsteuerrechtlich einen Erwerb von Todes wegen nach F auf den Zeitpunkt seiner Fälligkeit dar. Dieser Erwerb war nach Steuerklasse III zu besteuern.

Der Anfall der Nacherbschaft gilt grundsätzlich als Erwerb vom Vorerben. Der Vorerbe gilt als Erbe. Sein Erwerb unterliegt in vollem Umfang der Erbschaftsteuer. Bei Eintritt der Nacherbfolge haben diejenigen, auf die das Vermögen übergeht, den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern. Die Vorschrift fingiert, dass der Nacherbe Erbe des Vorerben wird. Auf Antrag ist der Versteuerung das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen.

  • 6 Abs. 4 ErbStG überträgt diese Systematik auf Vor- und Nachvermächtnisse sowie auf Vermächtnisse, die erst mit dem Tod des Beschwerten fällig werden. Es wird fingiert, dass der Nachvermächtnisnehmer das Vermächtnis vom Vorvermächtnisnehmer erwirbt. Der Nachvermächtnisnehmer hat bei Eintritt des Nachvermächtnisfalls den Erwerb seines Vermächtnisses als vom Vorvermächtnisnehmer stammend zu versteuern und kann nur auf Antrag der Versteuerung sein Verhältnis zum Erblasser zugrunde legen.

Beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse stehen den Nacherbschaften gleich. Der durch ein solches betagtes Vermächtnis Beschwerte gilt als Vermächtnisnehmer nach dem Erblasser. Der Vermächtnisnehmer des betagten Vermächtnisses erwirbt vom Beschwerten. Der Tod des Beschwerten begründet erst den steuerbaren Tatbestand. Auf Antrag der Besteuerung ist das Verhältnis zum Erblasser zugrunde zu legen.

Ist ein Vermächtnis erst mit dem Tod des beschwerten Erben fällig und ein zweiter Vermächtnisnehmer für den Fall bestimmt, dass der erste Vermächtnisnehmer vor Fälligkeit des Vermächtnisses verstirbt, erwirbt der zweitberufene Vermächtnisnehmer von dem beschwerten Erben, nicht aber vom erstberufenen Vermächtnisnehmer. Zeitpunkt des Erwerbs ist der Tod des Erben. Ist mit dem Tod des beschwerten Erben das Vermächtnis fällig geworden, liegt bei dem zweiten Vermächtnisnehmer ein der Nacherbschaft gleichstehender Erwerb vor. Der beschwerte Erbe steht dem Vorerben gleich und gilt als Erbe. Der zweite Vermächtnisnehmer steht dem Nacherben gleich und hat das Vermächtnis auf diesen Zeitpunkt als vom beschwerten Erben stammend zu versteuern.

Mit dem Tod des E hatte N noch keinen Vermächtniserwerb zu versteuern. Das Vermächtnis war noch nicht fällig, da F noch nicht verstorben war. Dasselbe galt für X beim Tod des N. Die Fälligkeit des Vermächtnisses trat erst mit dem Tod der F ein. Auf diesen Zeitpunkt hat X es als von F stammend zu versteuern. In diesem Verhältnis ist die Steuerklasse III anzuwenden.