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Ist entgeltliche individuelle Verbraucherberatung steuerlich begünstigt?

Der steuerbegünstigte Zweck der Förderung von Verbraucherberatung und Verbraucherschutz kann auch bei einer Einzelberatung vorliegen, bei der die individuelle Situation des Verbrauchers berücksichtigt und über Versicherungen aufgeklärt und informiert wird.

Hintergrund

Der eingetragene Verein V fördert den Verbraucherschutz durch Produktvergleiche. Im Jahr 2014 führte V vergleichende Untersuchungen zu Versicherungen durch und veröffentlichte die Ergebnisse. Da wegen der vielen Tarife ein verwertbarer Vergleich nur anhand individueller Faktoren erstellt werden konnte, bot V eine Vergleichsanalyse mit individuellen Daten an, sog. „Finanzanalysen“. Mit den Analysen erwirtschaftete V bei Umsätzen von ca. 100.000 EUR einen Verlust von ca. 70.000 EUR.

Das Finanzamt ordnete die Einnahmen aus den Analysen dem steuerpflichtigen Geschäftsbetrieb des V zu, erließ entsprechende Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuer-Messbescheide und unterwarf die Umsätze dem Regelsteuersatz.

Das Finanzgericht gab der Klage des V statt. Seiner Meinung nach handelte sich um einen begünstigten Zweckbetrieb.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied, dass V als Zweckbetrieb von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit ist, jedoch bei der Umsatzsteuer nicht dem ermäßigten Steuersatz, sondern dem Regelsteuersatz unterliegt.

Auch wenn sich die individuelle Aufklärung an einen zahlenmäßig nicht begrenzten Personenkreis richtet, steht dem das Erfordernis der Förderung der „Allgemeinheit“ nicht entgegen. Denn V bot allen ihren Lesern und damit einem unbegrenzten Kreis von Verbrauchern die Möglichkeit, Computerauswertungen zu Versicherungen auf der Basis ihrer individuellen Merkmale zu erwerben.

Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb „Finanzanalysen“ diente in seiner Gesamtrichtung der Verwirklichung des steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecks der Verbraucherberatung. Es lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Erhebung des Entgelts lediglich zur Mittelbeschaffung erfolgte. Die Finanzanalysen waren für die Zweckerreichung erforderlich. Denn die veröffentlichten Musteranalysen waren lediglich für einen generellen Marktüberblick geeignet. Ein konkreter Versicherungsschutz setzt dagegen eine individuelle Versicherungsanalyse voraus.

V tritt mit ihren Analysen zu nicht begünstigten Betrieben nur insoweit in Wettbewerb, als dies zur Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist. Zum einen besteht nur ein „eingeschränktes“ Wettbewerbsverhältnis zu Versicherungsportalen, Versicherungsmaklern und Versicherungsberatern. Denn diese Konkurrenten bieten keine vergleichbaren Leistungen an, da ihre Analysen auf einen Vertragsabschluss gerichtet sind. Zum anderen überwiegt das Interesse der Allgemeinheit an der Förderung des steuerbegünstigten Zwecks. Die Finanzanalysen gewährleisten einen unabhängigen Marktüberblick. V hat kein wirtschaftliches Interesse am Abschluss eines Versicherungsvertrags.

Der ermäßigte Steuersatz gilt nur dann für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden. Damit folgt der Bundesfinanzhof nicht der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach der ermäßigte Steuersatz auf Zweckbetriebe nach § 65 AO uneingeschränkt anwendbar ist.

Denn bei V fehlt es an einer Tätigkeit auch „für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit“. Damit erfüllt V nicht die neben der Zweckbetriebseigenschaft für die Steuersatzermäßigung erforderlichen weiteren Voraussetzungen.