Wer bereits eine Erstausbildung abgeschlossen hat, kann Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwand eines Auslandssemesters im Rahmen eines Zweitstudiums als vorab entstandene Werbungskosten geltend machen. Fraglich ist jedoch, wo hier die erste Tätigkeitsstätte liegt.
Hintergrund
Die Klägerin hatte bereits eine Erstausbildung abgeschlossen und nahm ein Studium an einer Fachhochschule im Inland auf. Die Prüfungsordnung für diesen Studiengang sah 2 Semester an einer ausländischen Partnerhochschule sowie ein Auslandspraxissemester vor. Die Klägerin absolvierte diese in den Jahren 2014/2015. Während der Semester im Ausland blieb sie jeweils entsprechend der Studienordnung Mitglied der Fachhochschule mit allen Rechten und Pflichten. Zudem behielt sie ihren Wohnsitz in der Wohnung ihrer Eltern bei.
Die Klägerin machte für 2014/2015 die Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen während der Auslandsaufenthalte als Werbungskosten geltend.
Sowohl Finanzamt als auch Finanzgericht waren der Ansicht, dass die Bildungsstätten im Ausland zu ersten Tätigkeitsstätten geworden waren und erkannten dementsprechend die geltend gemachten Aufwendungen nicht an.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied dagegen, dass keine ersten Tätigkeitsstätten vorlagen. Die Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen während der beiden Auslandssemester und des Praxissemesters sind daher als vorab entstandene Werbungskosten zu berücksichtigen. Er hob das entgegenstehende Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück.
Aufwendungen für eine zweite Ausbildung (Berufsausbildung oder Studium) sind regelmäßig beruflich veranlasst. Dementsprechend sind sämtliche beruflich veranlassten Aufwendungen, die im Rahmen einer Zweitausbildung anfallen, als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar. Das gilt auch bei einer auswärtigen Bildungsmaßnahme außerhalb eines Dienstverhältnisses.
Notwendige Mehraufwendungen eines Arbeitnehmers für beruflich veranlasste Übernachtungen an einer Tätigkeitsstätte, die nicht erste Tätigkeitsstätte ist, sind Werbungskosten. Abzugsfähig sind nur Aufwendungen für eine zusätzliche (berufliche) Unterkunft. Insoweit liegt Mehraufwand vor. Der Arbeitnehmer muss folglich neben der auswärtigen Unterkunft eine andere Wohnung/Unterkunft haben. Er muss dort jedoch – anders als bei einer doppelten Haushaltsführung – weder einen eigenen Hausstand führen noch muss dort der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen liegen. Es genügt, wenn er z.B. im Haushalt der Eltern ein Zimmer bewohnt. Entsprechend steht dem Arbeitnehmer der Abzug der Pauschale für Verpflegungsmehraufwand für die ersten 3 Monate zu.
Als erste Tätigkeitsstätte gilt auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses in Vollzeit aufgesucht wird Die Behandlung einer Bildungseinrichtung wie eine erste Tätigkeitsstätte ist jedoch nur insoweit gerechtfertigt, als sich ein Steuerpflichtiger in Vollzeitausbildung wie ein Arbeitnehmer, der einer betrieblichen Einrichtung dauerhaft zugeordnet ist. Daran fehlt es jedoch, wenn er die Bildungseinrichtung und damit seine erste Tätigkeitsstätte vorübergehend nicht aufsucht, weil er nach der Studienordnung Ausbildungsabschnitte an einer auswärtigen Bildungseinrichtung absolviert. Durch diese Auslegung wird die Gleichstellung mit einem Arbeitnehmer hergestellt, der am auswärtigen Tätigkeitsort keine erste Tätigkeitsstätte begründet, wenn er dort nur vorübergehend tätig ist.
Dementsprechend steht der Klägerin der Werbungskostenabzug für die geltend gemachten Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen dem Grunde nach zu. Sie begründete an den Studienorten im Ausland keine erste Tätigkeitsstätte. Sie hielt sich dort nur vorübergehend auf und war weiterhin an der Fachhochschule im Inland eingeschrieben. Entsprechendes gilt für das Praxissemester.
Das Finanzgericht muss nun die bisher nicht festgestellten Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen der Höhe nach prüfen.