Sowohl Europäischer Gerichtshof als auch Bundesfinanzhof halten eine rückwirkende Rechnungsberichtigung unter bestimmten Voraussetzungen für möglich. Das BMF folgt der Rechtsprechung weitestgehend, gibt aber noch weitergehende Hinweise zu den Rechnungsbestandteilen.
Hintergrund
Hat ein Unternehmer aufgrund einer vorliegenden Rechnung den Vorsteuerabzug geltend gemacht und stellt sich später in einer Betriebsprüfung oder einer unangekündigten Umsatzsteuer-Nachschau heraus, dass diese Rechnung nicht alle in § 14 Abs. 4 UStG vorgegebenen Rechnungsbestandteile enthält, war in der Vergangenheit fraglich, ob die Vorlage einer berichtigten Rechnung Wirkung für die Vergangenheit entfaltet.
Der Europäische Gerichtshof hatte grundsätzlich in 2 Entscheidungen die rückwirkende Rechnungsberichtigung ermöglicht, die Ausgestaltung aber im Wesentlichen in die Hand der nationalen Rechtsprechung gelegt. Der Bundesfinanzhof hatte sich dann in mehreren Verfahren mit den Voraussetzungen und den Wirkungen der rückwirkenden Rechnungsberichtigung auseinandergesetzt und u. a. folgende Grundsätze festgelegt:
Der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG setzt die Vorlage einer Rechnung voraus. Eine Rechnung kann mit Wirkung für die Vergangenheit berichtigt werden, wenn sie berichtigungsfähig ist. Die Berichtigungsfähigkeit setzt voraus, dass die wesentlichen Elemente der Rechnung vorhanden sind und diese Angaben nicht in einem so hohen Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen. Die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung beim Vorsteuerabzug gilt unabhängig davon, ob die Berichtigung zum Vorteil oder zum Nachteil des Leistungsempfängers wirkt. Auch der Stornierung einer Rechnung nebst Neuausstellung einer sie ersetzenden Rechnung kann eine solche Rückwirkung zukommen.
BMF-Schreiben v. 18.9.2020
Die Finanzverwaltung nimmt in ihrem Schreiben zur rückwirkenden Rechnungsberichtigung umfassend zu den Möglichkeiten des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen Stellung und ändert und ergänzt die entsprechenden Vorgaben in Abschn. 15.2a UStAE.
Grundsätzlich stellt die Finanzverwaltung fest, dass der Besitz einer Rechnung sowohl formelle als auch materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist, weil die Angabe der Steuerbelastung wesentlich für die Neutralität des Umsatzsteuerrechts ist.
Das Recht auf den Vorsteuerabzug kann jedoch ausnahmsweise auch geltend gemacht werden, wenn der Leistungsempfänger keine Rechnung besitzt, die alle formellen Voraussetzungen erfüllt und die auch nicht berichtigt wurde. Dazu muss der Unternehmer durch objektive Nachweise belegen, dass ein anderer Unternehmer an ihn tatsächlich Lieferungen oder sonstige Leistungen ausgeführt hat, für die eine Umsatzsteuer entstanden und auch tatsächlich abgeführt worden ist.
Dieser Nachweis kann aber nur über eine Rechnung oder deren Kopie mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer geführt werden. Ohne diesen gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer verbleiben Zweifel, ob und in welcher Höhe die Umsatzsteuer in dem Zahlbetrag enthalten ist und ob die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen.
Die anderen materiellen Voraussetzungen kann der Unternehmer durch andere Beweismittel nachweisen. Entscheidend ist, dass sie eine leichte und zweifelsfreie Feststellung der Voraussetzungen durch die Finanzbehörden ermöglichen. Jegliche Zweifel und Unklarheiten gehen zu Lasten des Unternehmers, der den Vorsteuerabzug begehrt.
Ist eine Rechnung ausgestellt worden, aber nicht ordnungsgemäß i. S. d. § 14 Abs. 4 UStG, kann diese unter bestimmten Voraussetzungen auch mit Wirkung für die Vergangenheit berichtigt werden.
Die Rechnung muss aber berichtigungsfähig sein. Dazu muss sie die folgenden Bestandteile aufweisen:
- Angaben zum Rechnungsaussteller,
- Angaben zum Rechnungsempfänger,
- eine ausreichende Leistungsbeschreibung,
- das Entgelt für die ausgeführte Leistung sowie
- die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer.
Bei Kleinbetragsrechnungen (bis 250 EUR) müssen die Bestandteile insoweit enthalten sein, wie dies für diese Rechnungen notwendig ist.
Damit sind in jedem Fall die Rechnungsnummer, das Rechnungsdatum, das Leistungsdatum sowie die Steuernummer oder die USt-IdNr. in der Rechnung nachträglich ergänzbare oder berichtigungsfähige Angaben, die einer Rückwirkung auf den ursprünglichen Vorsteuerabzug nicht entgegenstehen.
Ist die Angabe des leistenden Unternehmers ungenau, aber grundsätzlich zutreffend, kann die Rechnung mit Wirkung für die Vergangenheit berichtigt werden. Es besteht aber keine Notwendigkeit zur Berichtigung, wenn der leistende Unternehmer durch die Gesamtheit der vorliegenden Angaben in der Rechnung eindeutig identifizierbar und eine Verwechslungsgefahr mit anderen Unternehmern ausgeschlossen ist. Auch der Leistungsempfänger muss so eindeutig beschrieben sein, dass eine Verwechselungsgefahr ausgeschlossen ist. So kann z. B. eine unzutreffende Bezeichnung der Rechtsform mit Wirkung für die Vergangenheit berichtigt werden. Die Angabe eines falschen leistenden Unternehmers wie auch eines falschen Leistungsempfängers ist aber nicht über eine rückwirkende Rechnungsberichtigung heilbar.
Die Leistungsbeschreibung muss, um rückwirkend berichtigungsfähig zu sein, zumindest so konkret sein, dass die Leistung und der Leistungsbezug für das Unternehmen des Leistungsempfängers erkennbar sind. Eine unrichtige Leistungsbeschreibung kann nicht mit Wirkung für die Vergangenheit berichtigt werden. Eine ungenaue Leistungsbeschreibung ist zumindest dann berichtigungsfähig, wenn sie nicht so allgemein gehalten ist, dass es nicht möglich ist, die abgerechnete Leistung eindeutig und leicht nachprüfbar feststellen zu können.
Wenn durch Angabe des Bruttorechnungsbetrags und des gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrags das Entgelt eindeutig berechenbar ist, liegt die Möglichkeit der rückwirkenden Rechnungsberichtigung vor.
Sind Rechnungen fälschlicherweise ohne gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ausgestellt worden (z. B. wegen Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen oder der Annahme einer Steuerbefreiung) und stellt sich die Annahme als unzutreffend heraus, kann grundsätzlich keine Rechnungsberichtigung mit Wirkung für die Vergangenheit vorgenommen werden.
Ist in einer Rechnung die Umsatzsteuer unzutreffend niedrig ausgewiesen worden (z. B. Ansatz des ermäßigten Steuersatzes anstelle des Regelsteuersatzes), kann dies nicht mit Wirkung für die Vergangenheit berichtigt werden. Der falsche (zu niedrige) Steuerbetrag bleibt aber bestehen. Die Differenz kann dann erst mit Vorlage der korrigierten Rechnung abgezogen werden.
Liegt keine ordnungsgemäße Rechnung vor, kann der Unternehmer aber den Nachweis erbringen, dass ihm andere Unternehmer auf einer vorausgehenden Umsatzstufe tatsächlich Gegenstände geliefert oder sonstige Leistungen erbracht haben, für die eine Umsatzsteuer entstanden und auch tatsächlich abgeführt worden ist, kann die Vorsteuer zu dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem die Leistung bezogen wurde und eine Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer vorlag. Dies gilt entsprechend, wenn eine rückwirkende Rechnungsberichtigung möglich war und durchgeführt wurde. Bei einem zu niedrigen Steuerausweis kann die Differenz zwischen der in der ursprünglichen Rechnung gesondert ausgewiesenen Steuer und der zutreffenden Steuer erst in dem Moment abgezogen werden, in dem die berichtigte Rechnung vorliegt.
Hinweis
Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Lediglich bei dem Vorsteuerabzug bei rückwirkenden Rechnungsberichtigungen wird es von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn der Vorsteuerabzug erst in dem Zeitraum geltend gemacht wird, in dem die berichtigte Rechnung vorliegt, wenn die berichtigte Rechnung dem Leistungsempfänger bis zum 31.12.2020 übermittelt worden ist.