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Warum eine Ausfuhrlieferung trotz Steuerhinterziehung steuerfrei sein kann

Selbst wenn ein Unternehmer unterfakturierte Zweitrechnungen ausstellt, führt dies nicht dazu, dass er die Steuerfreiheit für die Ausfuhrlieferung nicht in Anspruch nehmen kann. Die für innergemeinschaftliche Lieferungen geltenden Regelungen sind nicht auf Ausfuhrlieferungen anwendbar.

Hintergrund

Die X-GmbH lieferte im Jahr 2013 Kfz aus dem Inland in die Türkei an dort ansässige Abnehmer und nahm dabei die Steuerfreiheit für Ausfuhrlieferungen in Anspruch.

Das Finanzamt versagte die Steuerfreiheit unter Hinweis auf die Missbrauchsrechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Die Kfz waren zwar tatsächlich in die Türkei geliefert worden. X hatte sich jedoch aktiv an einem Betrugsmodell beteiligt, indem sie durch Erteilung unterfakturierter Zweitrechnungen die Begehung von Steuerverkürzungen im Empfangsstaat ermöglichte.

Das Finanzgericht wies die Klage der X ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied dagegen, dass es der Steuerfreiheit nicht entgegensteht, wenn der Lieferer bei der Ausstellung einer unterfakturierten Zweitrechnung für die Ausfuhrlieferung wusste oder hätte wissen müssen, dass der Abnehmer mit dem gelieferten Gegenstand eine Steuerhinterziehung zu Lasten des Steueraufkommens eines Drittstaats begeht. Eine solche Voraussetzung ergibt sich weder aus § 6 UStG noch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung dient der Verlagerung des Steueraufkommens in den Mitgliedstaat des innergemeinschaftlichen Erwerbs. Damit setzt die Steuerfreiheit voraus, dass die innergemeinschaftliche Lieferung beim Erwerber die Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung begründet. Bei dieser Korrespondenz dienen die vom Lieferer beizubringenden Nachweise insbesondere dazu, die Durchsetzung der Erwerbsbesteuerung sicherzustellen. Der Abnehmer soll sich der Erwerbsbesteuerung nicht durch Steuerhinterziehung entziehen können. Deshalb ist es gerechtfertigt, dem Lieferer, dem dies bekannt ist oder bekannt sein muss, die Steuerfreiheit zu versagen.

Bei einer Ausfuhrlieferung in einen Drittstaat besteht jedoch keine entsprechende Korrespondenz zwischen Ausfuhr und Besteuerung. Denn die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung steht auch dann zu, wenn eine Besteuerung der Einfuhr im Drittstaat nicht vorgesehen ist.

Bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen für die Ausfuhrlieferung in einen Drittstaat besteht grundsätzlich keine Gefahr eines Steuerbetrugs oder finanziellen Verlustes zum Nachteil des Ausfuhrstaats bzw. der Union, die eine Besteuerung rechtfertigen könnten. Betrügerische Handlungen in einem Drittstaat können daher nicht zum Verlust der Steuerbefreiung für die Ausfuhrlieferung führen.