Die bloße Behauptung eines Steuerberaters, dass er einen Steuerbescheid nicht erhalten hat, reicht nicht aus. Das gilt insbesondere dann, wenn bestimmte Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen innerhalb eines längeren Zeitraums nach Absendung des Steuerbescheids darauf hindeuten, dass der Steuerbescheid zugegangen ist.
Hintergrund
Der Kläger reichte keine Steuererklärung ein, weshalb das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuer 2011 schätzte. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In der Folge wurde der Bescheid mehrmals geändert und der Vorbehalt der Nachprüfung schließlich am 16.2.2015 aufgehoben. Am 28.7.2016 erließ das Finanzamt einen wegen eines Grundlagenbescheids geänderten Steuerbescheid zuungunsten des Klägers. Hiergegen legte er Einspruch ein, reichte die noch ausstehende Steuererklärung nach und beantragte, die Steuer wie vorher festzusetzen.
Das Finanzamt war der Ansicht, dass der Bescheid v. 16.2.2015 bestandskräftig geworden war und deshalb nur die letzte Änderung rückgängig gemacht werden konnte. Dem erst wesentlich später vorgebrachten Einwand des Klägers, dass er bzw. sein Bevollmächtigter diesen Bescheid nicht bekommen hatte und der Vorbehalt der Nachprüfung deshalb noch bestand, folgte das Finanzamt nicht.
Entscheidung
Das Finanzgericht ging ebenfalls davon aus, dass der Bescheid v. 16.2.2015 zugegangen war. Zur Begründung führten die Richter aus: Wird der Erhalt eines Steuerbescheids bestritten, kann der Nachweis des Zugangs vom Finanzamt nicht nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises geführt werden. Es gelten vielmehr die allgemeinen Beweisregeln, insbesondere die des Indizienbeweises. Demnach können bestimmte Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen innerhalb eines längeren Zeitraums nach Absendung des Steuerbescheids im Zusammenhang mit dem Nachweis der Absendung vom Finanzgericht im Wege einer freien Beweiswürdigung dahingehend gewürdigt werden, dass entgegen der Behauptung des Steuerpflichtigen von einem Zugang des Steuerbescheids ausgegangen wird.
Im vorliegenden Fall wurde der Bescheid ausweislich der Finanzamtsakten zur Post gegeben. Hinweise auf einen Rücklauf des Bescheids waren nicht ersichtlich. Zudem legte der Bevollmächtigte trotz gerichtlicher Aufforderung dem Gericht keine Kopien aus seinem Fristenkontrollbuch bzw. Fristenkalender für die streitigen Zeiträume des mutmaßlichen Zugangs vor. Deshalb war das Finanzgericht davon überzeugt, dass der Prozessbevollmächtigte den Bescheid vom 16.2.2015 erhalten hat.