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Kindergeldprozess: Warum das volljährige Kind kein Zeugnisverweigerungsrecht hat

In Kindergeldsachen hat das volljährige Kind eine Mitwirkungspflicht, die auch das finanzgerichtliche Verfahren umfasst. Ein Zeugnisverweigerungsrecht steht ihm insoweit nicht zu.

Hintergrund

V und M sind geschiedene Eltern eines 1992 geborenen Sohnes S. Dieser lebte bis zum Ende seiner Schulausbildung im Sommer 2011 im Haushalt der M, die das alleinige Sorgerecht hatte und auch das Kindergeld bezog. Seit dem Wintersemester 2011/2012 befindet sich S auswärts im Studium.

Im Jahr 2013 beantragte V die Festsetzung des Kindergeldes für S zu seinen Gunsten. Er argumentierte, dass S den Haushalt der M im Dezember 2011 verlassen hatte und er vorrangig kindergeldberechtigt war, da er einen höheren monatlichen Barunterhalt leistete. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab, da die Haushaltsaufnahme bei M ihrer Meinung nach fortbestand.

Das Finanzgericht wies die dagegen erhobene Klage ab, obwohl sich eine dauerhafte Trennung vom mütterlichen Haushalt nicht feststellen ließ. Denn S hatte schriftlich erklärt, dass er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil wegen Verfahrensmangels (mangelnde Sachaufklärung) auf und verwies den Fall an das Finanzgericht zurück. Das Finanzgericht hatte zunächst zu entscheiden, ob S nach Aufnahme seines Studiums weiterhin dem Haushalt der M zugehörte. Dazu hatte es den entscheidungserheblichen Sachverhalt (Haushaltsaufnahme durch M) so vollständig wie möglich und bis zur Grenze des Zumutbaren, d. h. unter Ausnutzung aller verfügbaren Beweismittel aufzuklären. Das gilt unabhängig von den Beweisanträgen der Beteiligten. Das Finanzgericht verletzte seine Sachaufklärungspflicht jedenfalls dann, wenn es Tatsachen oder Beweismittel außer Acht lässt, deren Ermittlungen sich ihm hätten aufdrängen müssen.

Aufgrund des widersprüchlichen Vortrags von V und M war es im vorliegenden Fall geboten, S als Zeugen zu vernehmen. Das Finanzgericht hatte davon abgesehen, weil S angekündigt hatte, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Darin lag ein zur Aufhebung des Finanzgerichtsurteils führender Verfahrensfehler. Denn S war zur Mitwirkung verpflichtet. Ein Zeugnisverweigerungsrecht stand ihm nach Ansicht der obersten Finanzrichter nicht zu. Denn § 84 FGO verweist hinsichtlich des Zeugnisverweigerungsrechts nicht auf die Regelung in §§ 383 bis 385 ZPO, sondern auf §§ 101 bis 103 AO, um die Einheitlichkeit des Zeugnisverweigerungsrechts für das Steuerverwaltungsverfahren und das Gerichtsverfahren zu gewährleisten.

Das Finanzgericht wird im 2. Rechtsgang entscheiden, ob S weiterhin dem Haushalt der M angehörte. Falls dies nicht zutrifft, muss das Finanzgericht ermitteln, ob V die höhere Unterhaltsrente gezahlt hat.