Der Erwerb einer Wohnung von Todes wegen kann steuerbegünstigt sein. Aber gilt diese Steuerbegünstigung für ein Familienheim auch für eine Wohnung, die an die selbst genutzte Wohnung des Steuerpflichtigen angrenzt? Ja, und zwar dann, wenn die hinzuerworbene Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt ist.
Hintergrund
A ist Alleinerbe seines im Oktober 2013 verstorbenen Vaters V. Zum Nachlass gehörte eine von V bis zu seinem Tod selbst genutzte Doppelhaushälfte. A bewohnt die hieran direkt angrenzende andere Doppelhaushälfte.
Nachdem A Renovierungs- und Sanierungsarbeiten durchgeführt hatte, nutzte er ab August 2016 die verbundenen Doppelhaushälften selbst als eine einheitliche Wohnung.
Das Finanzamt und auch das Finanzgericht lehnten für den Erwerb der Doppelhaushälfte des V die Steuerbefreiung für ein Familienheim ab. Ihrer Ansicht nach fehlte es an der unverzüglichen Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken.
Entscheidung
Die Absicht des Erwerbers zur Selbstnutzung lässt sich als eine innere Tatsache nur anhand äußerer Umstände feststellen. Der Erwerber muss tatsächlich in die Wohnung einziehen. Der Begriff des Familienheims erfordert zudem, dass der Erwerber dort den Mittelpunkt seines Lebensinteresses hat. Dafür bedarf es einer Nutzung zu eigentlichen Wohnzwecken. Die Nutzung für gelegentliche Aufenthalte oder als Lagerraum genügt nicht.
Der Erwerber muss die Wohnung „unverzüglich“, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmen. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von 6 Monaten nach dem Erbfall. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Erwerber i. d. R. prüfen, ob er einziehen will, entsprechende Renovierungsarbeiten vornehmen und den Umzug durchführen. Nach Ablauf dieser Frist kann eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung nur vorliegen, wenn der Erwerber darlegt, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat, aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Umstände im Einflussbereich des Erwerbers, die nach Ablauf des 6-Monatszeitraums zu einer Verzögerung führen (wie z. B. eine Renovierung), sind nur unter besonderen Voraussetzungen nicht dem Erwerber anzulasten.
Eine zeitliche Verzögerung des Einzugs aufgrund von Renovierungsarbeiten ist dem Erwerber auch dann nicht anzulasten, wenn er die Arbeiten unverzüglich in Auftrag gibt, die Handwerker sie aber aus Gründen, die der Erwerber nicht zu vertreten hat, z. B. wegen einer hohen Auftragslage, nicht rechtzeitig ausführen können oder weil nach Beginn der Renovierungsarbeiten ein gravierender Mangel entdeckt wird, der vor dem Einzug beseitigt werden muss. Ein weiteres Indiz für die unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung ist die zeitnahe Räumung bzw. Entrümpelung der Wohnung.
Das Finanzgericht ging davon aus, dass die Steuerbefreiung bereits deshalb zu versagen ist, weil A nicht alles technisch Denkbare (Einsatz von Trocknungsgeräten) unternommen hat, um so schnell wie möglich in die Selbstnutzung einzutreten. Dieser Maßstab ist zu streng. Vom Erwerber kann lediglich der Aufwand gefordert werden, der nach der Verkehrsanschauung als angemessene Förderung des Baufortschritts zu qualifizieren ist. Das Finanzgericht hat die Verhältnisse des Streitfalls nach diesem Kriterium erneut zu würdigen.