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Verkauf wertloser Aktien: Wann liegt Gestaltungsmissbrauch vor?

Bei dem Verkauf wertloser Aktien liegt nicht automatisch ein Gestaltungsmissbrauch vor. Das gilt sogar dann, wenn sich der Verkäufer verpflichtet, vom Käufer ebenfalls wertlose Aktien zu kaufen.

 Hintergrund

A erwarb im Jahr 2011 1.000 Aktien der X-Corp. für insgesamt 4.685 EUR einschließlich Anschaffungsnebenkosten. Nachdem die X in Konkurs geraten war und die Aktien erheblich an Wert verloren hatten, verkaufte A im Februar 2013 die Aktien für insgesamt 10 EUR (0,01 EUR pro Stück) an Y. Im Gegenzug erwarb er von Y wertlose Aktien.

Im März 2013 wurden die Aktien aus dem Depot des A ausgebucht und in das Depot der Y übertragen. Die Bank behandelte den Übertrag wie eine Veräußerung und setzte zur Ermittlung der Kapitelertragsteuer und Solidaritätszuschlag die sog. Ersatzbemessungsgrundlage an, die bei 30 % der Anschaffungskosten wegen fehlenden Börsenpreises lag.

A beantragte für das 2013 die Berücksichtigung des Verlustes aus dem Aktienverkauf i. H. v. 4.675 EUR (= 4.685 EUR ./. 10 EUR).

Das Finanzamt sah darin einen Gestaltungsmissbrauch und lehnte die Anerkennung des Veräußerungsverlustes ab.

Das Finanzgericht gab der Klage statt.

 Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied, dass hier kein Gestaltungsmissbrauch vorlag, und wies die Revision des Finanzamts zurück. Der Veräußerungsverlust des A ist steuerlich zu berücksichtigen und aufgrund seines Antrags im Rahmen der Antragsveranlagung mit Aktiengewinnen zu verrechnen. Ein Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO liegt nicht vor.

„Veräußerung“ i. S. v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG bedeutet die entgeltliche Übertragung des (zumindest wirtschaftlichen) Eigentums auf einen Dritten. Das liegt hier vor. Das Eigentum der Aktien des A ging auf Y über, da sie aus dem Depot des A aus- und in das Depot der Y eingebucht wurden. Dieser Rechtsträgerwechsel war auch entgeltlich, da Y an A einen Kaufpreis von 10 EUR gezahlt hat. Die Erfüllung des Tatbestands der Veräußerung ist daher – entgegen der Auffassung des Finanzamts – weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig.

Anhaltspunkte dafür, dass die Übertragung nur zum Schein erfolgte, liegen nicht vor. Zwischen A und Y bestand kein Näheverhältnis. Die Veräußerung ist somit als Vorgang zwischen fremden Dritten zu behandeln. Unerheblich ist auch, dass die Veräußerung der X-Aktien unter der Bedingung stand, dass A im Gegenzug (wertlos gewordene) Aktien der Y erwirbt. Das ändert nichts daran, dass hinsichtlich der X-Aktien des A ein Rechtsträgerwechsel stattgefunden hat.

A hat lediglich von gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht, diese aber nicht missbraucht. A verfolgte das Ziel, sich von den (nahezu) wertlosen Papieren durch Übertragung auf einen Dritten zu trennen. Dieses Ziel war nicht anders als durch eine Veräußerung zu erreichen. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG sieht die Veräußerung von Aktien ausdrücklich vor und unterwirft sie der Besteuerung. A hat daher nicht gegen eine gesetzlich vorgegebene Wertung verstoßen, sondern lediglich von einer ihm durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht. Veräußerungsverluste werden ebenfalls vom Anwendungsbereich des § 20 EStG erfasst. Auch der Umstand, dass die Übertragung der (wertlosen) Aktien mit der Verpflichtung des Erwerbs wertloser Aktien verknüpft wurde, führt nicht zu einem Gestaltungsmissbrauch.