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Bei ordnungsgemäßer Buchführung: Finanzamt muss Schätzung gut begründen

Auch wenn der Steuerpflichtige bei der Verprobung des Wareneinsatzes unzureichend mitgewirkt hat, darf das Finanzamt keine Schätzung vornehmen, wenn die Buchführung ordnungsgemäß ist.

Hintergrund

Der Kläger war Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, die vor allem im Handel mit Textilien tätig war. Das Finanzamt führte für die Jahre 2007 bis 2009 eine Betriebsprüfung bei der GmbH durch. Im Betriebsprüfungsbericht wurden keine Buchführungsmängel benannt. Da die Gesellschaft bzw. deren gesetzliche Vertreter jedoch keine Angaben zur Verprobung des Wareneinsatzes, Aufzeichnungen und Unterlagen zu Fehleinkäufen sowie Erläuterungen zu Musterkollektionen oder Warenrücksendungen wegen Qualitätsmängeln gemacht hatte, kam es aufgrund dieser Feststellungen zu einer Hinzuschätzung beim Umsatz und Wareneinsatz der GmbH. Ferner wurde eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe der Musterteile angenommen, da deren betriebliche Veranlassung nicht nachgewiesen wurde. Gleiches erfolgte aufgrund von Reisekosten. In seiner Klage machte der Kläger geltend, dass die Buchführung der GmbH ordnungsgemäß gewesen war. Der Finanzverwaltung waren auch alle Buchführungsunterlagen zur Verfügung gestellt worden.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Die Hinzuschätzung war nach Ansicht des Finanzgerichts nicht rechtmäßig. Nach § 162 AO darf eine Schätzung erfolgen, wenn Bücher und Aufzeichnungen, die zu führen sind, nicht vorgelegt werden können oder diese der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können. Eine Buchführung, die den gesetzlichen Vorlagen entspricht, kann regelmäßig der Besteuerung zugrunde gelegt werden, es sei denn, es besteht ein Anlass, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln. Eine formell ordnungsgemäße Buchführung hat dabei die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich. Nur wesentliche Mängel sprechen gegen eine formell richtige Buchführung. Eine fehlerhafte Erfassung von Einnahmen hat die Finanzverwaltung indes nicht festgestellt. Insoweit bestand deshalb keine Schätzungsbefugnis.

Auch die Verprobung des Wareneinsatzes als relativ grobe Prüfungsmethode begründet keine Schätzungsbefugnis. Die Richtigkeitsvermutung einer formell ordnungsgemäßen Buchführung ist nämlich nur entkräftet, wenn das Finanzamt nachweist, dass das Ergebnis nicht zutreffend sein kann. Die Ausführungen der Finanzverwaltung im Prüfungsbericht reichen hierfür nicht aus.