Wird die Gegenleistung nachträglich herabgesetzt, handelt es sich hierbei nicht um ein rückwirkendes Ereignis. Deshalb kann eine bestandskräftig festgesetzte Grunderwerbsteuer nicht geändert werden, selbst wenn eine Anpassungsklausel vertraglich vereinbart sein sollte.
Hintergrund
Die Klägerin A erwarb im Jahr 2008 Grundstücke zum Gesamtkaufpreis von 1.003.973 EUR. A behielt sich im Kaufvertrag vor, den Kaufpreis gerichtlich zu überprüfen und einen Anspruch auf Anpassung geltend zu machen.
Im Jahr 2008 teilte der Notar dem Finanzamt mit, dass der Kaufvertrag rechtswirksam geworden ist, woraufhin das Finanzamt die Grunderwerbsteuer mit 35.139 EUR entsprechend dem vertraglichen Kaufpreis (1.003.973 EUR) festsetzte. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Im Jahr 2015 zahlte die Verkäuferin an die Klägerin einen Betrag von 131.550,81 EUR zurück, da der Kaufpreis gerichtlich niedriger festgesetzt worden war. Den von der Klägerin gestellten Antrag auf Änderung des Bescheids lehnte das Finanzamt ab. Das Finanzgericht war dagegen der Ansicht, dass die Herabsetzung des Kaufpreises steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hatte und gab der Klage statt.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob das Finanzgerichtsurteil auf und wies die Klage ab. Er entschied, dass das Finanzamt die Grunderwerbsteuer zutreffend nach der vereinbarten Gegenleistung in Höhe von 1.003.973 EUR festgesetzt hatte. Der Grunderwerbsteuer-Bescheid konnte nicht nachträglich geändert werden.
Ein nachträgliches Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung liegt vor, wenn es zu einer Änderung des Sachverhalts führt, den das Finanzamt bei der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt hat, und nicht lediglich zu einer veränderten rechtlichen Beurteilung des nämlichen Sachverhalts.
Dass die Herabsetzung der Gegenleistung i.S.v. § 16 Abs. 3 GrEStG keine Änderung wegen eines rückwirkenden Ereignisses ermöglicht, folgt aus der Zusammenschau von § 16 Abs. 4 GrEStG und § 175 Abs. 1 Satz 2 AO. Tritt ein Ereignis ein, das nach § 16 Abs. 3 GrEStG die Aufhebung oder Änderung eines Bescheids begründet, endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt des Ereignisses (§ 16 Abs. 4 GrEStG).
Würde ein Ereignis, das nach § 16 Abs. 1 bis 3 GrEStG die Aufhebung oder Änderung eines Bescheids begründet (die Herabsetzung der Gegenleistung), als rückwirkendes Ereignis i.S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO anerkannt, würde dadurch die Festsetzungsverjährung für die volle Zeit von 4 Jahren erneut eröffnet. Damit hätte § 16 Abs. 4 GrEStG keinen Anwendungsbereich. Die Regelung, wonach die Festsetzungsfrist lediglich nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt des Ereignisses endet, liefe ausnahmslos leer. Eine Auslegung, mit der eine gesetzliche Vorschrift jeglichen Anwendungsbereich verliert, widerspricht aber der gesetzlichen Systematik und kann daher vom Gesetz nicht gewollt sein.
Es liegt zwar eine von § 16 Abs. 3 GrEStG erfasste Herabsetzung der Gegenleistung vor. Eine Änderung nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG scheidet jedoch aus, da die 2-Jahresfrist verstrichen war. Denn die Steuer war 2008 mit der Genehmigung des Vertrags entstanden, die Herabsetzung des Kaufpreises erfolgte erst 2015. Die nachträgliche Herabsetzung der Gegenleistung berechtigt nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG aber nur innerhalb der 2-Jahresfrist zur Steueränderung.