Prüfen mehrere Mitarbeiter des Finanzamts einen Steuerfall inhaltlich und unterläuft bei der Bearbeitung ein Eingabefehler, kann der Steuerbescheid nicht geändert werden. Denn es fehlt an dem „mechanischen Versehen“ als Voraussetzung für eine offenbare Unrichtigkeit.
Hintergrund
X erzielte bei der Veräußerung eines GmbH-Anteils einen Veräußerungsgewinn von 132.900 EUR. Dieser unterlag nach dem Teileinkünfteverfahren zu 60 %, d. h. in Höhe von 79.740 EUR der Besteuerung. X erklärte diesen Betrag ordnungsgemäß unter der Kennziffer 45.28 in der elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung.
Im Veranlagungsverfahren wurde unter Kennziffer 45.83 (Beschreibungstext: „personell ermittelter steuerfreier Veräußerungsgewinn“) der Wert „79.740 EUR“ eingetragen. Richtig wäre hier der Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG mit dem Wert „0 EUR“ einzutragen gewesen. Es konnte nicht geklärt werden, durch welchen Sachbearbeiter beim Finanzamt die unrichtige Eintragung bei der Kennziffer 45.83 vorgenommen wurde.
Durch den Falscheintrag wurde von dem zutreffend erklärten Veräußerungsgewinn von 79.740 EUR ein „steuerfrei bleibender Veräußerungsgewinn“ in gleicher Höhe abgezogen. Die Folge: Die Einkünfte aus der Veräußerung wurden mit 0 EUR berücksichtigt.
In einem Prüfhinweis wurde die vollumfängliche Prüfung des Falls – u. a. die Einkünfte aus der Anteilsveräußerung – angeordnet und auf die Prüfung bestimmter Prüfpunkte (u. a. Teileinkünfteverfahren) durch den Sachgebietsleiter hingewiesen. Keine der 3 mit dem Fall befassten Stellen bemerkte den Falscheintrag.
Nachdem bei einer Außenprüfung der Fehler entdeckt worden war, erließ das Finanzamt wegen einer offenbaren Unrichtigkeit einen geänderten Bescheid. Diesem wurde der erklärte Veräußerungsgewinn von 79.740 EUR zugrunde gelegt. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht ab, es ging von einem mechanischen Versehen aus.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied, dass die Voraussetzungen für eine Bescheidänderung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nicht vorlagen. Offenbare Unrichtigkeiten sind mechanische Versehen (z. B. Schreibfehler, Rechenfehler, Eingabefehler, Übertragungsfehler). Dagegen schließen Fehler in der Rechtsanwendung (fehlerhafte Willensbildung, Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen) die offenbare Unrichtigkeit aus. Die entsprechende Korrekturvorschrift ist daher nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Eine Berichtigung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit ist somit ausgeschlossen, wenn das Finanzamt aufgrund eines Prüfhinweises den Fall überprüft hat, es im Rahmen dieser Überprüfung zu einer neuen Willensbildung der zuständigen Beamten gekommen ist und daher die Möglichkeit eines Rechtsirrtums nicht auszuschließen ist.
Von diesen Grundsätzen ausgehend lagen im vorliegenden Fall die Berichtigungsvoraussetzungen wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nicht vor. An dem Fall waren mehrere Bearbeiter tätig und die Kennziffer 45.83 hätte von jedem dieser Bearbeiter ausgefüllt werden können. Fest stand nur, dass die Veranlagung als „Intensiv-Prüfungsfall“ von 2 Bearbeitern inhaltlich geprüft wurde.
Deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass bereits die ursprüngliche Eintragung des unzutreffenden Werts bei Kennziffer 45.83 auf unzutreffenden rechtlichen Erwägungen beruhte und nicht lediglich mechanisch erfolgte. Es kam daher nicht mehr darauf an, ob die weitere Überprüfung des Steuerfalls sich auf eine bloße Plausibilitätskontrolle beschränkte oder eine „echte“ Inhaltsprüfung darstellte.